In der Demokratie gibt es eine Pflicht, die allem anderen vorgeht: Nämlich zu sagen, was ist!

Denkt daran, dass der
Frühling nicht gestrichen
werden kann
Im Frühling gebe es einen Moment, in dem die Natur erotisiert sei, sagte David Hockney einmal. Es sehe dann so aus, als sei Champagner über die Büsche gegossen worden. Der exzentrische Maler hat schon immer seine Freude an der Natur und ihrem unendlichen Reichtum an Motiven im Wechsel der Jahreszeiten in frischen, leuchtenden Farben vermittelt. Je älter der 84-jährige wird, umso üppiger seine Palette. Aus der Abgeschiedenheit der Normandie hat er diese Vitalität ausströmenden Osterglocken als Hoffnungsträger in die von Corona und Krieg auf den Kopf gestellte Welt gesetzt.
Seine Botschaft: „Denkt daran, dass der Frühling nicht gestrichen werden kann“. David Hockney hat das Bild auf seinem iPad gemalt. Der Künstler hält es mit dem Spruch auf einem burgundischen Weingut: „Wenn sie trinken, sterben sie – wenn sie nicht trinken, sterben sie auch.“ Mit seinen prallen Osterglocken von einer Landschaft, die noch nicht ganz aus dem Winterschlaf erwacht ist, ruft Hockney die Frühlingssymbole von Auferstehung und Neugeburt in Erinnerung.
Danke David, ein lebensbejahendes Zeichen in traurigen Zeiten.

Der Weg in die Katastrophe
Wolfgang Bittner über die verantwortungslose deutsche Politik
Ausnahmezustand! Ja, das ist der richtige Titel für ein aktuelles politisches Buch. Deutschland und die Welt stehen kopf. Wohin man blickt, Krisen, Konflikte, Kriege. Der Autor geht der Frage nach, ob es für diesen entsetzlichen Zustand Verantwortliche gibt, und findet dazu deutliche Worte. Er hat zuvorderst die USA im Blick, die ihren Anspruch auf Weltherrschaft mit aller Macht zu erhalten suchen. Dazu nutzen sie die NATO und ihre subversiven Netzwerke. Während Japan im Pazifik als Frontstaat gegen China aufgerüstet wird, dient Deutschland im Westen als „Speerspitze“ gegen Russland. Die Bevölkerung wird nicht gefragt, vielmehr fehlinformiert und indoktriniert. Das trifft auch auf den Krieg in der Ukraine zu, dessen Vorgeschichte – der Staatsstreich in Kiew und die Bedrohung Russlands – schlicht unterschlagen wird. Sein Buch ist auch eine informative Faktensammlung für Journalisten und Historiker.
Wolfgang Bittner analysiert die geopolitische Situation und stellt dar, warum Deutschland nach wie vor unter Vormundschaft der USA steht und wie die eigene Souveränität zurückerlangt werden könnte. Er gehört zu den wenigen mutigen Schriftstellern, die über das schreiben, was viele Deutsche empfinden – aber sich nicht getrauen, offen zu sagen!
Manifest gegen Waffenhilfe
Alice Schwarzer und ihre Mitstreiter fordern
Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg
„Hört uns endlich zu!“ fordert eine Gruppe um die Journalistin Alice Schwarzer und die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht in einem „Manifest für den Frieden“ zum Ukraine-Krieg. Schon wie 2022 sprechen sich die Manifest-Unterzeichner gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Die Verfasser des Manifests erkennen zwar an, dass das ukrainische Volk von Russland brutal überfallen wurde, halten es aber für unmöglich, die Kriegstreiber zu besiegen. Stattdessen drohe „eine Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg“. Schwarzer und Co. plädieren für Verhandlungen: „Verhandeln heißt nicht kapitulieren. Verhandeln heißt, auf beiden Seite Kompromisse machen.“
Im Manifest wird Bundeskanzler Olaf Scholz aufgefordert, sich endlich an die Spitze einer „Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen“ zu setzen.

Endlich objektive Reportagen von der Ukraine-Front
Hohe Auszeichnung für Luca Steinmann (32), ein mutiger Kriegsreporter
Unbemerkt von der deutschen Fernseh-Öffentlichkeit wurde der italienisch-schweizer Journalist Luca Steinmann mit dem italienischen Journalistenpreis „Premiolina“ ausgezeichnet. Er erhielt die hohe Auszeichnung für seine Berichterstattung über den Krieg im Donbass von der russischen Front. Steinmann arbeitet für das Nachrichtenformat TgLa7 Special für „La Republica“ und für das geopolitische Magazin „Limes“.
Objektivität zahlt sich aus: Luca Steinmann berichtet direkt aus den Kriegsgebieten, arbeitet mit russischen Vanocore-Reportern zusammen, die sich auf das Filmen der Kämpfe spezialisieren. Er interviewt auch russische Soldaten, von denen auch viele Opfer des Krieges sind. „Ich wurde mehrmals von der ukrainischen Armee beschossen, auch wenn ich mich in städtischen Gebieten weit weg von militärischen Zielen befand. Bei den Russen habe ich nie unter einer Zensur gelitten und konnte immer frei veröffentlichen.“ Steinmann hatte auch Probleme mit Redakteuren westlicher Medien, die seine Arbeit als Mittel ihrer eigenen antirussischen ideologischen und redaktionellen Linie ansahen. Das brachte ihn oft in große Gefahr.
Man muss Steinmanns Mut und Entschlossenheit loben, der auf den ersten Blick mit dem Gegner spricht. Wer mehr wissen möchte: www.limesonline.com/en
Auch die ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf (59) berichtet von der Front, wurde 2021 mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für „beste Information“ geehrt. Es hieß: „Hervorragend ihre kenntnisreichen, ruhigen Analysen live am Ort des Geschehens.“ Was viele bei den Reportagen von Eigendorf vermissen, sind aktuelle Situationsberichte von der militärischen Gegenseite, Interviews mit russischen Soldaten und Opfern.
Ich möchte da mein Vorbild Hanns Joachim Friedrich (+28. März 1995) zitieren, der eine ganz spezielle Meinung über die Berichterstattung von Journalisten hatte:
„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit seiner Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“
Bemerkenswert, wer in der Jury des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises des ZDF sitzt: u.a. Tina Hassel, Maybrit Illner, Claus Kleber, Theo Koll, Sandra Maischberger, Marietta Slomka, Anne Will).

Das neue leibniz-magazin
mit Schwerpunkt „Vielfalt & Einheit“
Ist Nationalismus nur ein negatives Wort?
„Die Menschen sind verschieden,
doch die Wahrheit ist eine,
und alle, die sie suchen, auf welchem
Gebiet es sei, helfen einander.“
Gottfried Wilhelm von Leibniz (1646 – 1716)
Philosoph, Politiker, Forscher
In diesem Sinne publiziert die Leibniz-Gemeinschaft ihr Magazin. Sie ist mit ihren bundesweit 97 Instituten eine der vier großen außeruniversitären Forschungseinrichtungen Deutschlands. „Je mehr wir uns mit dem Thema Vielfalt befasst haben, desto überraschter waren wir, wie oft sie mit Einheit einhergeht: Bräuche, Werte und Interessen verbinden Menschen, Milliarden Bakterien halten unsere Körper am Laufen, die Ökosysteme, das Klima, die Arten – in der Natur ist fast alles mit allem verbunden“, so das Vorwort der Redaktion.
Mein Top-Thema im Heft (Hobby-Riffforscher, blog: korallenmeer.info): „Riffreport: Die Fortpflanzung der Fische“. Es geht um Geschlechtsbestimmung – weiblich, männlich, beides – oder: mal so, mal so. Bei Fischen kommen alle Formen vor.
Informativ auch der Beitrag: Wie sieht die neue Weltordnung aus?. „Wir brauchen eine neue Form der Globalisierung“, sagt Politikwissenschaftlerin Amrita Narlika. „Und wir sollten Nationalismus nicht ausschließlich als ein schlechtes Wort sehen.“ Ebenso lesenswert: Die Zukunft der Landwirtschaft oder Verborgene Vielfalt, die Natur-Sammlungen des Leibniz-Instituts. Und dazu ein starkes Interview mit Martina Brockmeier, der neuen Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft: „Gemeinsam sind wir zu Unglaublichem in der Lage.“
Infos: www.leibniz-magazin.de, kostenloses Abo: abo@leibniz-gemeinschaft.de, leibniz auf facebook: www.facebook.com/leibniz-gemeinschaft. Forschung können Sie jetzt auch hören: Entdecken Sie die Podcasts der Leibniz-Gemeinschaft: www.leibnitz-gemeinschaft.de/tonspur-wissen und www.leibniz-gemeinschaft.de/datascientist
Aktueller Lesetipp:
Über das Universalgenie Leibniz gibt es jetzt eine neue Biografie: „Die beste aller möglichen Welten“ (S. Fischer Verlag, 325 S., 24 Euro). Autor Michael Kempe, Leiter der Leibniz-Forschungsstelle der Akademie der Wissenschaften, beschreibt Leibniz und sein Wirken mit großer Sachkunde und viel Sympathie für einen Menschen, der Optimismus gelebt und gedacht hat.

Die Freiheit fördern –
jetzt erst recht!
Die JUNGE FREIHEIT ist eine der letzten unabhängigen Zeitungen Deutschlands. Wirtschaftliche, politische und publizistische Freiheit sind ihre Grundprinzipien – keine Selbstverständlichkeit in der heutigen Presselandschaft! Die JUNGE FREIHEIT ist eine Zeitung für Deutschland. Sie erscheint in Berlin und ist der großen kulturellen Tradition der deutschen Nation verpflichtet. In ihrer Berichterstattung leistet sie einen unverzichtbaren Beitrag zur Vielfalt und Lebendigkeit der Meinungsbildung.
Wie sagt Chefredakteur Dieter Stein: „Unsere Aufgabe ist es, verbindlich im Ton, aber knallhart in der Sache gegenzuhalten gegen einseitige Berichterstattung einerseits, aber andererseits auch gegen eine Verrohung der öffentlichen Debattenkultur.“
jungefreiheit.de/service/foerdern
Jeder dritte Deutsche sieht „Scheindemokratie“
Um sein politisches System wird Deutschland weltweit beneidet. Trotzdem glaubt jeder dritte Deutsche einer Umfrage zufolge, in einer „Scheindemokratie“ zu leben. Zu diesem Ergebnis kommt eine bundesweite repräsentative Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Senders SWR. Darin stimmten 31 Prozent der Befragten dem Satz zu: „Wir leben in einer Scheindemokratie, in der die Bürger nichts zu sagen haben“. Im Osten war sogar fast die Hälfte der Bürger (45 Prozent) dieser Meinung. Und 28 Prozent der Befragten gaben an, dass unser demokratisches System „grundlegend geändert“ gehöre.

Stiftung Hambacher Schloss feierte „erstes Demokratiefest“. Motto: „Mut zur Freiheit“
Kommentar
Es hätte heißen müssen:
„Mehr Mut zur Meinungs-Freiheit“
Bei der Infragestellung unseres demokratischen Systems geht es auch um die berühmte Meinungsfreiheit, die für alle Deutschen einen hohen Wert hat. Das Recht auf Meinungsfreiheit und Redefreiheit stellt aber gerade die abweichende Meinung, den Dissens, ins Zentrum der Freiheitsidee. Von dieser Einsicht scheint die Elite der deutschen Politik weit entfernt. Abweichende Meinungen werden heute noch schärfer sanktioniert als abweichendes Verhalten. Diese Sanktionen laufen zumeist nicht über Diskussionen, sondern über Ausschluss und Ächtung. Ein Beispiel ist hierfür das „Neue Hambacher Fest“, das als Marke verboten wurde. Das bedeutete auch ein Ende der Patriotenwanderungen zum Schloss.
„Mut zur Freiheit“ lautete das Motto des ersten Demokratiefestes, das vor einigen Wochen die Stiftung Hambacher Schloss und die Stadt Neustadt veranstalteten. Das „erste Fest“? Das stimmt so nicht, es gab schon vorher einige Demokratiefeste auf dem Schloss. Ex-Bundespräsident Joachim Gauck wurde mit dem „Hambacher Freiheitspreis“ geehrt, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Der Theologe hielt eine bemerkenswerte Rede („Freiheit ist nicht umsonst zu haben“). Richtig. „Die Zahl der Feinde der Demokratie hat zugenommen, alter und neuer Extremismus und ein Erstarken des populistischen Milieus erschrecken die Mehrheit der Bevölkerung“, so Gauck. Aber er meinte auch: „Sehen wir also unsere so oft hinterfragte Gesellschaft einmal aus dieser Perspektive an – und wir erblicken einen Raum der Möglichkeiten , in dem Zukunft nicht Furcht und Eskapismus auslöst, sondern realitätsbasierte Zuversicht, Selbstvertrauen und Mut.“
Der Redner wollte wohl auch an das Hambacher Fest vor 190 Jahren erinnern. Zum Festakt mit Gauck-Rede waren nur geladene Gäste zugelassen. Ob der Freiheitsheld Dr. Siebenpfeiffer auch eine Einladung erhalten hätte?
„Mehr Mut zur Meinungs-Freiheit“ hätte die Hambacher Veranstaltung heißen müssen
Ich meine, Demokratie wird nicht nur gestärkt durch präsidiale Ermahnungen, man möge sich zu ihr bekennen und sie gegen ihre Feinde verteidigen. Die Demokratie stärkt vor allem auch ihre Anfechtung. Sie ist das bestmögliche System zur Überwindung ihrer Infragestellung. Ihrem elementaren Funktionieren sind Störung und Gefährdung zuträglicher als Bestätigung und Bekenntnisproklamation. Die Veranstaltung der Landesregierung zeugt von rührendem Eifer, das Gesamtbild der Patrioten von 1832 politisch zu vereinnahmen. Übrigens: Neue Vorsitzende der Hambach-Stiftung wurde Simone Schneider, Staatssekretärin des Landesinnenministeriums. Sie will mutig Farbe bekennen, sich einmischen und für demokratische und europäische Werte einstehen.
„Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut“
Perikles (+429 v. Chr.)
Ein berühmtes Zitat, das alle demokratischen Patrioten beherzigen sollten. Perikles war seit 443 v. Chr. ständig Stratege, verlieh der athenischen Demokratie (Volksherrschaft) einen monarchistischen Charakter. Das perikleische Zeitalter war ein Höhepunkt klassischer griechischer Kultur. Perikles soll aber auch den Peloponnesischen Krieg als Mittel neuer innerer Stärkung begrüßt haben, wurde kurz vor seinem Tod (an der Pest) abgesetzt.

Nur dem Patrioten Siebenpfeiffer
gehört die Marke „Hambacher Fest“
Das Land Rheinland-Pfalz ist für das kulturelle Erbe zuständig, trägt die Stiftung Hambacher Schloss mit. Und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kam auch noch in Neustadt an der Weinstrasse zur Welt. Da ist es verständlich, dass die SPD das Freiheitsfest dazu nutzt, ihre politische Deutungshoheit zu stärken. Daher wurde auch auf Antrag der Stiftung das von dem Investor Max Otte (Ex-CDU-Mitglied) inszenierte „Neue Hambacher Fest“ vom Patentamt als Marke gelöscht.
Doch eigentlich gehört nur Dr. Philipp Jakob Siebenpfeiffer die Marke „Hambacher Fest“, denn er und seine Mitstreiter erfanden den Namen, marschierten 1832 zum Schloss hinauf, um für Presse- und Meinungsfreiheit zu demonstrieren. Das ist schon 190 Jahre her. Das Urheberrecht gilt daher nicht mehr. Leider. Was würde Siebenpfeiffer wohl heute zu diesem Markenstreit sagen? Vielleicht würde er sich über eine „wahre Erneuerung“ seines Festes freuen? Eine pfälzische Monopol-Zeitung dichtete, auf dem Hambacher Schloss sei die Demokratie erfunden worden. In der Tat eine Erfindung. Mein Vorbild Siebenpfeiffer erwähnte in seinen Schlossreden niemals das Wort Demokratie, sondern sprach mehrfach nur von Patrioten und Patriotismus.
Tatsache ist: Erst Alexis de Tocqueville prägte auf seiner Reise durch die USA (1831/32) den Politikbegriff „Demokratie“, veröffentlichte danach „Die Demokratie in Amerika“ (1835-1840). Für den französischen Politiker und Historiker sind bürgerschaftliche Feste und Bewegungen die Schule der Demokratie, in denen demokratisches Denken und ziviles Verhalten durch alltägliche Praxis eingeübt werden. Doch wenn diese Assoziationen auf lokaler Ebene verkümmern, dann ist die Freiheit der Demokratie – so Tocqueville – auch auf nationaler Ebene in Gefahr. Und da muss man wieder an das Hambacher Fest von 1832 denken. Wer widersprüchliche Meinungen nicht zulässt, schadet nur der eigenen Glaubwürdigkeit.
Zitat zur Zeit:
Sei wachsam!
Erfrischender Ratschlag des Liedermachers und Freigeistes Reinhard Mey mit seinem Song „Sei wachsam“. Ich zitiere auszugsweise den Refrain:
„Sei wachsam, präg‘ dir die Worte ein! Sei wachsam und fall nicht auf sie rein! Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt. Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt! Sei wachsam, bewahr‘ dir deinen Mut. Sei wachsam und sei auf der Hut.“
Aktuell zum Thema:
Über den Liedermacher Reinhard Mey, der Ende des Jahres 80 Jahre alt wird, gibt es jetzt auch eine neue Biografie: „Meylensteine. Reinhard Mey und seine Lieder“ (rüffer+rub, 182 Seiten, 20 Euro). Autor ist der Musikwissenschaftler Michael Schneider.

Erinnern, Hoffen und Mahnen:
100 neue Gedichte von Wolfgang Bittner
Der Poet als Realist
Bei uns herrscht Meinungsfreiheit.
Wer anderer Meinung ist,
darf sich nicht beschweren.
In schweren Zeiten machen uns Dichter viel Mut, besonders gegen die Zumutungen des sogenannten Mainstreams. Auch Wolfgang Bittner ist so ein wortgewaltiger Mutmacher und veröffentlichte jetzt seinen neuen Lyrikband „Unter der Asche die Glut“
Wolfgang Bittner möchte die „Glut unter der Asche“ entfachen. Und das ist dem in Göttingen lebenden Schriftsteller und PEN-Mitglied auch gelungen. Seine auf dem Amboss des Widerspruchs geschmiedeten Verse kommen manchmal so leicht daher, hinterlassen aber tiefe Wirkung. Bittners Themen sind bedrohte Gegenwart, wehmütige Erinnerungen, gefährdete Meinungsfreiheit und jetzt wieder Kriegsgräuel („Bombenstimmung“, „Feindbild“, „Frontverlauf“). Wie auch immer, das schmale Buch mit seinen über 100 Gedichten schaut einen an, weiss, unschuldig, fragend, Neugierde weckend. Und dann schlägt man es auf und liest: „Böses Ohmen“ … Kampfflugzeuge in der Luft, alles verdreht, aufrüsten statt abrüsten. Wieder werden wir zugemüllt mit Vorkriegspropaganda. Nach dem Krieg ist immer noch: Vor dem Krieg.
Es gibt viele Momente in Bittners Sprachbildern, die eine gespaltene Gesellschaft zeigen, in der Andersdenkende diskriminiert werden. Mahnende Worte: „Jahrhundert“ … es steht in der Zeitung, das Fernsehen berichtet, Tag für Tag Wahnsinn: So viel Hass, so viel Gewalt, Intoleranz, Fanatismus.
Mir gefällt vor allem sein Poem „Kann mich dunkel erinnern“, eine traurige Reise meines schlesischen Landsmannes Bittner in die verlorene Heimatstadt im heutigen Polen: … als die Stadt heimkam – so heißt es – ins Mutterland Polen. Der Dichter, Jahrgang 1941: … Das wurde mir anders berichtet; erinnere mich an Feuer und Rauch und die Schreie der Geschundenen. … damals, in einem anderen Leben, und jetzt. Bittner lässt uns nicht vergessen, dass viele Leser auch Zeitzeugen sind. Der Poet als politisch denkender Realist, der erinnert und mahnt, doch auch hofft: „Wende“ … Schauen in eine offene blaue Unendlichkeit. Wieder steigt das Licht und mit ihm der Mut.
Die zeitbezogenen Gedichte des Kisch-Preisträgers Wolfgang Bittner würden vermutlich auch seinem Vorbild Egon Erwin Kisch (1885 – 1948) gefallen. Der „rasende Reporter“ verdichtete oft – fast lyrisch – seine Reportagen, war auch ein Wahrheitssuchender. Wir lesen Bittners Poesiebuch von der „Glut unter der Asche“ mit Bewunderung. Ja, Gedichte können Mutmacher in schweren Zeiten sein!